Schweinfurt 1945.
Am 11. April 1945 wurde Schweinfurt von der amerikanischen Rainbow Division besetzt. Der Krieg für die schwer zerstörte Kugellagermetropole war vorbei. Das Stadtarchiv Schweinfurt hatte mich 2024 gebeten, aus Beständen der National Archives stammende Filme zu recherchieren und zum 80. Jahrestag des Kriegsendes vorzuführen. Eine Zuschauerin wünschte sich den Zugang zu den Aufnahmen, den ich gerne über die Links auf Vimeo gebe. Ein anderer Zuschauer fragte nach der Verantwortung für das Geschehene. Auch nach dem Verhalten der einrückenden amerikanischen Soldaten wurde gefragt. Dazu unten einige Gedanken.

Kriegsende in Schweinfurt 1945. Plakat: Stadtarchiv Schweinfurt

B17 „Flying Fortress“ Anflug auf Schweinfurt 1943. Bild: National Archives / Historiathek

Bombardierung von Schweinfurt 1943. Foto: USAF / National Archives

Flakgeschütz Schweinfurt 1945. Foto: National Archives

US Tank vor Schweinfurt – 10. April 1945. Foto: Historiathek / zb Media

Vormarsch der Rainbow Division April 1945. Foto: National Archives / Historiathek

US-amerikanischen Flugblatt mit der Aufforderung zur Kapitulation, verwendet im April 1945. Foto: National Archives
Am 11. April 2025 jährte sich die Einnahme von Schweinfurt durch die amerikanische 42. Infanteriedivision, die „Rainbow Division“, zum 80. Mal. Die historischen Filmaufnahmen zeigen nicht nur die letzten Kampfhandlungen am Kriegsende, sondern auch das Bild einer Stadt, die bereits durch die verheerenden Luftangriffe des Jahres 1943 stark zerstört worden war. Besonders eindrucksvoll sind die Filmsequenzen, die die schwer beschädigten Industrieanlagen von Kugelfischer, SKF und Fichtel & Sachs zeigen – Betriebe, die während des Krieges eine zentrale Rolle in der Rüstungsproduktion spielten und daher zu bevorzugten Zielen der alliierten Bomber wurden.
Zentrum der Kugellagerindustrie
Mein Bezug zu Schweinfurt kommt über meine Großeltern und meine Mutter. Mein Großvater Hermann Barthel war bis Ende 1938 maßgeblich am Aufbau des Unternehmens Kugelfischer beteiligt. Schweinfurt als Zentrum der Kugellagerindustrie war ein strategisch wichtiger Ort. Ohne Kugellager, so die Logik der Strategen, können keine Panzer, keine Flugzeuge, keine Lastwagen rollen, ohne Kugellager ist die moderne Kriegsmaschinerien nicht funktionsfähig. Etwa 45% der deutschen Kugellagerproduktion waren zu Beginn des Krieges in den beiden Schweinfurter Großbetrieben konzentriert, den „Vereinigte Kugellagerfabriken“ (VKF, im Eigentum der Svenska Kullagerfabriken SKF, seit 1945 SKF Deutschland) und der FAG Kugelfischer, die „Erste automatische Gußstahlkugelfabrik vorm. Friedrich Fischer oHG“.
1943: Strategisches Ziel
Dies war dem amerikanischen Oberkommando bewußt, und es kam die Vorstellung auf, man könne durch die Zerstörung der Schweinfurter Kugellagerfabriken die deutsche Kriegsmaschinerie in ihr Mark treffen.
Ende 1941 hatte das Deutsche Reich den USA den Krieg erklärt und im Jahr 1942 wurden die Planungen für den strategischen Luftkrieg gegen Deutschland erstellt und nach und nach schwere Bomber nach England verlegt. 1943 wurden die ersten Angriffe auf Ziele in Frankreich und an der deutschen Küste geflogen. Im August und Oktober 1943 nahm die amerikanische 8th Air Force Schweinfurt ins Visier – eine Stadt weit in der Tiefe des deutschen Luftraums gelegen. An den Anfang des Filmabends habe ich einen Film gestellt, der die Überlegungen zur Zielauswahl der Angriffe dem amerikanischen Publikum erklären sollte: „The Case of the Tremendous Trifle“.
Wunsch und Realität
„The Case of the Tremendous Trifle“ entstand Ende 1944. Nach den schweren Luftangriffen auf Schweinfurt. Der Verlauf dieser Bombardements, besonders des zweiten Angriffs am 15. Oktober 1943, wird rechtfertigend dargestellt. Denn bei beiden Angriffen erlitten die amerikanischen Bomberverbände, die noch keinen Begleitschutz durch Langstreckenjäger hatten, sehr schwere Verluste. Der Film argumentiert, dass das Ziel der Strategen, die Kugellagerproduktion auszuschalten, erreicht worden sei. Doch dies ist nicht richtig.
Was passierte wirklich?
Am 17. August 1943 starteten rund 376 B-17 „Flying Fortress“-Bomber zu einer kombinierten Mission gegen die Regensburger Messerschmitt Flugzeugwerke und gegen Schweinfurt. Die Idee war, die deutsche Luftabwehr durch einen Angriff auf zwei auseinander liegende Ziele zu verwirren und zu überlasten. Doch durch Verzögerungen beim Start und der Sammlung der 376 B-17 Maschinen über England, konnten die Bomberverbände nicht, wie geplant, gleichzeitig zu ihren Zielen fliegen. Nachdem die deutsche Jägerabwehr gegen den Verband aus 146 Maschinen in Richtung Regensburg bereits aktiv geworden war mit dem Abschuss von 12 Maschinen, konnte sie sich erneut auf den Verband konzentrieren, der Richtung Schweinfurt flog. Auch die starke Flak-Flugabwehr rund um Schweinfurt traf die angreifenden Flugzeuge hart. 60 Bomber wurden abgeschossen, 176 zum Teil schwer beschädigt, über 600 Männer fielen. Die Verlustrate an zerstörten oder beschädigten Maschinen betrug 31%, ein Niveau „auf dem kaum mehr als einige weitere Angriffe durchzuhalten waren“, resümiert der englische Historiker Richard Overy.
Beim ersten amerikanischen Angriff im August 1943 war die Treffgenauigkeit nicht sehr hoch. Von den abgeworfenen 424 Tonnen Bomben traf ein großer Teil die gut getarnten Fabrikanlagen nicht. Zum Teil landeten die Bomben auf freiem Feld, zum Teil auf Wohnhäusern in der Stadt. 140 tote Zivilisten waren hier zu beklagen. Der Produktionsausfall der Werke betrug 34%, dies jedoch nur für einige Wochen.
„Black Thursday“
Am 14. Oktober 1943, dem später als „Black Thursday“ bezeichneten Tag, folgte der zweite Angriff auf Schweinfurt. 229 B-17 flogen erneut ohne ausreichenden Begleitschutz tief in den deutschen Luftraum. 65 Maschinen gingen verloren, weitere 138 wurden beschädigt – die Totalverlustrate lag bei 28 %. Im Tagebuch des amerikanischen Piloten Bud Clint, das am 15. Oktober 2025 von seinem Sohn Rob der Stadt Scheinfurt übergeben wurde, kann man über den Angriff aus erster Hand nachlesen. Die Maschine von Clint, die er nach England zurücksteuern konnte, wies über 200 Einschüsse auf.
Der Angriff im Oktober traf die Werke von FAG Kugelfischer und SKF präziser. Kurzzeitig brach die Produktion erneut um etwa 35 bis 40 % ein, doch schon nach wenigen Wochen war sie durch Reparaturen und Verlagerungen in der Fertigung wieder weitgehend funktionsfähig.
Aus mir vorliegenden internen Papieren der FAG Kugelfischer wird auch deutlich, warum dies so war. Seit 1934 wurde der Betrieb durch die Luftwaffe gedrängt, Hallen für Ausweichwerke zu errichten, um im Kriegsfall die Produktion von Schweinfurt weg verlagern zu können. Die im amerikanischen Film „Tremendous Trifle“ unterstellte Konzentration der Fertigung gab es zwar noch, aber die Aufteilung der Wälzlagerherstellung war 1943 bereits vorbereitet und teilweise vollzogen. Die FAG Kugelfischer konnte etwa in Eltmann, Ebern und anderen fränkischen Kleinstädten weiter produzieren. Auch die SKF hatte mehrere Ausweichbetriebe, unter anderem bei Berlin. Es gab auch eine gut getarnte Beteiligung der FAG an der Kugellagerfabrik im Schweizerischen Arbon am Bodensee, die laut Aussage von Hermann Barthel von seinem Ingenieursteam 1934 auf die Fertigungsmethoden und Wälzlagertypen der FAG umgestellt wurde. Das Werk in der Schweiz konnte während der gesamten Kriegsjahre unbehelligt die von der deutschen Rüstungsindustrie benötigen Lagertypen liefern. Im Werk Schweinfurt der FAG wurde nach dem Angriff begonnen, schwere Bunker zu errichten, die in einem weiteren Film vom Mai 1945 zu sehen sind. Auch in diesen Anlagen lief die Fertigung bis zur Besetzung der Stadt am 11. April 1945 weiter.
Hinzu kommt, dass die SKF auch aus Göteborg heraus in großem Stil die deutsche Rüstungsindustrie beliefern konnte. Die amerikanische Regierung drohte den neutralen Schweden deswegen 1944 die Bombardierung der SKF Werke in Göteborg an, um die Lieferungen an Deutschland zu stoppen.
Ein weiterer Schlag gegen Schweinfurt wurde im Februar 1944 im Zuge der „Big Week“ ausgeführt, eine Woche von Bombardements, die sich gegen die Luftfahrtindustrie richtete. Dieser amerikanische Tagangriff wurde mit einem britischen Nachtangriff kombiniert. Der letztere legte die Schweinfurter Innenstadt in Schutt und Asche.
Ausführlich kann jeder Interessierte die Bewertung der Wirkung der vielen Luftangriffe in den Büchern von Richard Overy, The Bombing War: Europe 1939–1945, London: 2013 nachlesen oder bereits bei Wesley Frank Craven / James Lea Cate (Hrsg.), The Army Air Forces in World War II, Vol. II: Europe, Chicago 1951. Auch der United States Strategic Bombing Survey von 1947 kam zu der Schlussfolgerung, dass das strategische Ziel der Angriffe nicht erreicht wurde.
Eine Wiederholung solcher Angriffe ohne Jagdschutz war angesichts der hohen Verluste ausgeschlossen. Diese Schlussfolgerung wird in einem weiteren Film der USAF von 1945 gezogen. Der Langstreckenjäger P51 Mustang brachte die Wende für die strategischen Bomber. Er erschien Anfang 1944 auf dem europäischen Kriegsschauplatz.
Der Irrglaube an den Zusammenbruch der Rüstungswirtschaft
In diesem Film wird nun argumentiert, dass man das Ziel, die Kugellagerproduktion auszuschalten zwar nicht erreicht habe, aber dass die Verlagerung der Fertigung die Transportwege vergrößert und dadurch die Verwundbarkeit durch Angriffe auf zum Beispiel Eisenbahnanlagen erhöht habe. Aus heutiger Sicht von den Historikern, die umfangreiches Aktenstudium betrieben haben, ist die tatsächliche Wirkung der Bombardements genauer einschätzbar. Aber auch im Frühjahr 1944 stellte Norman Bottomley, stellvertretender Chef des britischen Luftwaffenstabs, fest: „Selbst wenn es um die öffentlichen Moral sehr schlecht bestellt ist, kann der gesellschaftliche Kollaps von einem rücksichtslosen und zu allem entschlossenen Parteisystem und einer Bande, brutaler Gestapo-Henker und Verbrecher auf lange Zeit hinaus geschoben werden.“ (Zitiert bei Overy, Bomenkrieg, S. 514). Die Wirkung der schweren Bombenangriffe auf die Moral der Zivilbevölkerung war nach dem ersten Schock nicht Rebellion, sondern Apathie und Depression, schließlich ein dumpfer Durchhaltewille, der Selbstschutz im Kollektiv. Durch die Räumung der zerstörten Stadtgebiete wurden zahllose Familien in weit entfernte ländliche Gebiete „verschickt“ und auch dadurch die theoretisch denkbare Solidarisierung gegen die Nazi-Führung erschwert. Eine nennenswerte politische Opposition gab es nicht. Die deutsche Rüstungsproduktion erreichte, gestützt durch ein erbarmungsloses Zwangsarbeiterregime ungeachtet der zahllosen Bombardements in der zweiten Jahreshälfte 1944 sogar noch kurzfristig ihre Höchstleistung. Erst die am Boden nahe rückende Front führt zum Zusammenbruch des rüstungswirtschaftlichen Systems.
Das Fazit des englischen Historikers Richard Overy, der als einer der besten Fachleute zu diesem Thema gilt, lautet: „Die Schweinfurt-Einsätze zeigen die Grenzen des Präzisionsbombardements im Kontext eines totalen Krieges und die Widerstandskraft industrieller Systeme unter Bedrohungen.“
Schweinfurt am 11. April 1945
Schwarz-Weiß Filme, die Kameraleute des Signal Corps beim Vormarsch der amerikanischen Rainbow Division gedreht haben, zeigen Orte wie das durch Kämpfe stark zerstörte Gemünden, Münnerstadt, Güntersleben und Thüngen und die Orte westlich von Schweinfurt. Die Soldaten der Rainbow Division besetzen Schweinfurt am 11. April 1945. Zu sehen ist das Trümmerfeld, das von Schweinfurt noch übrig geblieben war. Dazwischen montiert habe ich auch Aufnahmen, die die Kameraleute bei ihrer gefahrvollen Arbeit zeigen.
Die Filme zeigen die gewaltige Überlegenheit der amerikanischen motorisierten Verbände und dokumentieren die Sinnlosigkeit der vereinzelt verbliebenen deutschen Gegenwehr. Wurde aus einer Ortschaft heraus auf die anrückenden Panzer geschossen, fiel diese in Trümmer, zu sehen in Gemünden oder Münnerstadt. Wo sich die kleinen Trupps deutscher Soldaten kampflos ergaben, blieben Häuser und Höfe weitgehend unbeschädigt. Um Schweinfurt herum, wo der NS-Kreisleiter Weidling zum Endkampf aufgerufen hatte und wo 11 kapitulationsbereite deutsche Soldaten demonstrativ an Bäumen vor der Stadt gehenkt wurden, sollten die verbliebenen Flakgeschütze die US-Panzer aufhalten. 15-jährige an den Kanonen, von denen man einige Überlebende in den Aufnahmen sieht. Die amerikanische Luftüberlegenheit, durch die Tiefflieger mit Beschuss und Napalm solche Stellungen auslöschen konnten, machten auch diese Ideen eines „Endkampfes“ sinnlos und die gegebenen Befehle muten verbrecherisch an. Ein „Untergang auch in aussichtsloser Lage in Ehren“, wie ihn die fanatischen Teile der deutschen Militär- oder SS- und Parteiführung verlangten, ist ethisch nicht rechtfertigbar. Er ist eine schuldhafte Entscheidung, die die Opferzahlen des Krieges unnötig vergrößert. Die Hinrichtung von kapitulationsbereiten Soldaten in letzter Minute ist verbrecherisch. Auf dem Schweinfurter Friedhof kann man die Gräber von einer größeren Zahl von Kindersoldaten des letzten Aufgebots besuchen, einige der Überlebenden sind im Film zu sehen. Dem sinnlosen Endkampf machte schließlich der Schweinfurter Oberbürgermeister Pösl, auch er ein überzeugter Nationalsozialist, durch einen Funkspruch ein Ende. Der NS-Kreisleiter Weidling hatte sich kurz zuvor mit seiner Entourage aus SS- und Wehrmachts-Leuten über die Mainbrücke abgesetzt und ließ diese Brücke hinter sich noch sprengen.
Die nun gefundenen Filmaufnahmen der Amerikaner dokumentieren die Vorgänge bei der Einnahme der Stadt am 11. April nur ungenügend. Das meiste Material ist derzeit verschollen und kann nur durch umfangreichere Recherchen in den Beständen der National Archives vielleicht noch gehoben werden. Die bislang aufgespürten wenigen Aufnahmen zeigen, dass es viel mehr Filmmaterial gegeben haben muss, denn sie dokumentieren unterschiedliche Momente des Vormarschs an weit auseinander liegenden Stellen in der Stadt.
Das Verhalten der amerikanischen Soldaten
In der Diskussion bei einem der Filmabende wurde nach dem Verhalten der amerikanischen Soldaten gegenüber der Bevölkerung und insbesondere gegenüber Frauen gefragt. Hierzu gibt es eine informative Quelle, die Berichte der Pfarreien der Diözese Würzburg, die die Historikerin Verena von Wiczlinski im Auftrag des Diözesanarchivs Würzburg herausgegeben hat. Die Berichte unterstreichen, dass die Zerstörungen in einzelnen Landgemeinden während der letzten Kriegstage in Unterfranken infolge des militärisch sinnlosen Beschusses der vorrückenden US-Truppe aus Ortschaften heraus bedingt waren. Auch über das Verhalten der amerikanischen Soldaten geben die Pfarrer mit vereinzelten Ausnahmen ein gutes Zeugnis ab. Nachzulesen im Buch „Kirche in Trümmern?“ von Verena von Wiczlinski.
Die zerstörte Stadt in Farbfilmen
Für die filmische Dokumentation des Kriegsgeschehens war Signal Corps der US Army verantwortlich. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Special Film Project (SFP), das unter der Leitung des bekannten Regisseurs William Wyler für die US Air Force entstand. Wyler, selbst bereits ein angesehener Filmemacher in Hollywood, hatte den Auftrag, den Luftkrieg gegen Deutschland in bewegten Bildern festzuhalten. Die von seinem Team produzierten Dokumentarfilme dienten nicht nur der Information der US-amerikanischen Öffentlichkeit, sondern auch der Analyse und Auswertung militärischer Operationen. Deswegen findet sich in den National Archives ein großer Bestand an angeschnittenem Filmmaterial, das zwischen Mai und Juli 1945 gedreht wurde, darunter auch mehrere Rollen zu Schweinfurt. Bei der Sichtung der unveröffentlichten Filmrollen konnte ich auch bislang verschollene Flugaufnahmen wiederfinden, die 1945 fälschlich unter Berlin katalogisiert wurden, aber die Fabriken und die Altstadt von Schweinfurt zeigen.
Hollywood im Krieg – William Wyler
Willi Wyler, geboren am 1. Juli 1902 in Mülhausen, Elsass-Lothringen, war ein deutsch-amerikanischer Filmregisseur. 1920 begann er seine Karriere in New York bei der Universal Film seines Onkels, des Produzenten Carl Laemmle. Er wurde vor dem 2. Weltkrieg bereits viermal im Fach Regie für einen Oscar nominiert. 1941 drehte er in England den Spielfilm „Mrs. Miniver“, der die mutige Frau eines englischen Piloten in den Sommermonaten von 1940 porträtiert, den Monaten von Dünkirchen und der deutschen Luftangriffe auf England. Einen „reinen Propagandafilm“ nennt er seine Arbeit selbst und Churchill fand, der Film sei so viel wert wie 100 Schlachtschiffe. Wyler gewann 1942 mit diesem Film den Oscar.
Nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 meldete sich Wyler freiwillig zum Militärdienst. Talli, Wylers Frau, bemerkte: „Er konnte den Gedanken nicht ertragen, an der Seitenlinie zu sitzen“. Obwohl er aufgrund seines Alters von der Wehrpflicht befreit war, erhielt er 1942 eine Berufung als Major beim Signal Corps. In dieser Position leitete er eine Filmproduktionseinheit, die die Operationen der US-Luftwaffe dokumentierte.
Im Frühjahr 1943 kamen Wyler und sein Team nach England. Schon bei den ersten Tagangriffen der Bomber auf Ziele in Frankreich und Deutschland waren er und seine Kameramänner in den Flugzeugen dabei. Der erste Film porträtiert die Besatzung der „Memphis Belle“, eines B-17-Bombers, bei einer Mission gegen Wilhelmshaven.
Eine Fortsetzung dieses Films sollte die Wirkungen der strategischen Bombardements auf Deutschland dokumentieren. Daher gibt es auch Aufnahmen, die Schweinfurt zeigen. Die Schwarzweiß-Aufnahmen von Luftkämpfen in den oben gezeigten Filmen „Tremendous Trifle“ und „Conquest by Air“ wurden von Wylers Team in Farbe gedreht und auf Schwarzweiß umkopiert.
Die filmenden Kameraleute und ihr Regisseur erfuhren die brutale Realität der Flugzeugbesatzungen. Einer seiner Kameramänner, Lieutenant Harold J. Tannenbaum, verlor während der Dreharbeiten sein Leben. Wyler selbst erlitt bei einem Flug in einer B25 im April 1945 durch den Lärm und Unterdruck im Flug einen dauerhaften Verlust seines Hörvermögens und des Gleichgewichtssinns und wurde in die USA zur stationären Behandlung zurückgebracht. Er kam jedoch bereits im Mai 1945 wieder nach Deutschland, um an der Fortsetzung von „Thunderbolt“ zu arbeiten. Es gibt in den National Archives zahlreiche Farbfilmrollen Wylers. Sie zeigen Kampfszenen, zerstörte Städte, verlassene Straßen, Gesichter vieler Menschen, die Zivilbevölkerung ohne Behausungen.
Krieg im Film – die Wahrheit?
Der Einsatz von Filmaufnahmen zur Dokumentation von Kriegsgeschehen begann im Ersten Weltkrieg. 20 Jahre später waren Filmwochenschauen das wirksamste Mittel, große Gruppen der Bevölkerung über die Kinos mit bewegten Bildern zu erreichen. In den USA war bei Kriegsbeginn Ende 1941 die Bedeutung der Filmpropaganda bereits durch die Geschehnisse in Europa nachvollziehbar. Die im republikanisch dominierten Senat im Sommer 1941 noch vorherrschende isolationistische Haltung, kippte mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour.
Hollywood zögerte nicht, seine Talente und Kapazitäten in den Dienst des Militärs zu stellen. Das U.S. Army Signal Corps war das wichtigste militärische Film- und Fotoorgan im Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche Hollywood-Filmemacher, erfahrene Fotografen und Kameraleute arbeiteten daran, den Krieg an allen Schauplätzen zu dokumentieren.
Kriegsfilme vermitteln uns kein „objektives“ Bild von der Realität des Krieges. Der Zweck der Filme, die in die Kinos kamen, war die Motivierung und Mobilisierung der eigenen Bevölkerung. Die Arbeit der US-Filmleute ähnelt der Arbeit sogenannten Propagandakompanien, die die Deutsche Wochenschau versorgten. Aber es gibt große Unterschiede, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehen kann. Über den Grad der Verzerrung der Realität darf sich der Zuschauer besonders bei geschnittenem Filmmaterial nicht täuschen, auch nicht bei amerikanischem. Mein Vater, der Truppenarzt war, erzählte mir davon, wie die jungen Männer, die einsatzfreudig an seinem Lazarettzelt vorbeimarschierten oft nach wenigen Stunden als blutende Bündel auf seinem OP-Tisch landeten. Solche Bilder gibt es in hunderten Rollen Filmmaterial kaum zu sehen. In einer der Rollen vom Vormarsch auf Schweinfurt jedoch in einem leichten Fall.
Dokumentarfilme waren im Zweiten Weltkrieg nicht nur Mittel der Aufklärung und Berichterstattung, sondern auch Waffe, Propaganda- und Erinnerungsträger. Sie beeinflussen sowohl den Verlauf des Krieges als auch heute, nach dem Ableben der Augenzeugen, das langfristige visuelle Verständnis der Geschichte. Als ich in den 1980er Jahren beim Bayerischen Fernsehen arbeitete, erzählte mir ein Kameramann, Henning Sieps, von seiner Zeit als junger Filmer in einer Propagandakompanie der Wehrmacht. Welche Vorschriften zur Kameraführung es gab. Die eigenen Soldaten in Untersicht zu überhöhen. Deutsche Panzer gerne von links unten nach rechts oben fahren lassen – in der Hoffnungsdiagonale aus der christlichen Ikonographie. Feindliche Soldaten in Aufsicht erniedrigen. Die subtilen Methodiken der Beeinflussung des Zuschauers muss bei der Betrachtung solcher Filme heute bewusst bleiben.
Die Frage nach der Verantwortung
Im Anschluß an meinen Filmvortrag in Schweinfurt wurde die Frage nach der Verantwortung für die Geschehnisse gestellt. Im Großen scheint die Frage einfach: Das Dritte Reich und Italien haben den USA am 11. Dezember 1941 den Krieg erklärt, vier Tage nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und der anschließenden Kriegserklärung Japans. Insofern verantwortet die Führung des Nazi-Reichs die Konsequenzen des US-amerikanischen Kriegseintritts.
Im engeren Sinn kann man die Verantwortbarkeit der Luftkriegsführung durch die Alliierten im 2. Weltkrieg bedenken. Die Opfer unter der deutschen Zivilbevölkerung gehen in die Hunderttausende. Schweinfurt wurde 22 mal bombardiert, die Angriffe forderten etwa 2000 Tote und über tausend Verletzte unter der Bevölkerung der Stadt von um die 40.000 Einwohnern.
Als im Zweiten Weltkrieg Städte wie Warschau, Coventry, Hamburg oder Schweinfurt unter den Bombenteppichen der Luftstreitkräfte verschwanden, stellten sich nicht nur militärische, sondern auch zutiefst moralische Fragen: Durften Innenstädte mit Wohngebieten bombardiert werden? War der Angriff auf dicht bewohnte urbane Räume ein legitimes Mittel der Kriegsführung – oder bereits ein Verbrechen?
Rechtlich gesehen bewegten sich die Luftangriffe auf Schweinfurt und andere deutsche Städte in einem Graubereich, den das Völkerrecht jener Zeit nicht eindeutig regelte.
Krieg ohne klare Regeln
Die Haager Landkriegsordnung von 1907, das zentrale völkerrechtliche Regelwerk jener Zeit, verbot Angriffe auf „unverteidigte Städte und Dörfer“. Doch der Luftkrieg war damals noch Zukunftsmusik – Flugzeuge galten als Aufklärungsinstrumente, nicht als strategische Waffen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg versuchen Juristen des Völkerbunds im Jahr 1923, mit dem Haager Abkommen über den Luftkrieg ein Regelwerk zu schaffen.
Dieses Dokument sprach sich eindeutig gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung aus. Doch es trat nie in Kraft. Keine der Großmächte ratifizierte es – weder Großbritannien noch Frankreich, Deutschland, Italien oder die USA.
Als 1939 der Krieg begann, gab es somit keine völkerrechtlich bindenden Regeln für den Luftkrieg. Was als „militärisches Ziel“ galt, blieb der Interpretation der Kriegsparteien überlassen. Und diese Deutung wurde bald maximal ausgereizt: Fabriken, Kraftwerke, Bahnhöfe – bald aber auch Arbeiterwohnungen, die „zur Kriegswirtschaft gehörten“, und schließlich ganze Stadtzentren.
Flächenbombardierung oder Präzisionsschlag?
Die Luftkriegsstrategen betrachten, wie im ersten Film gezeigt, Bombardierungen als gezielten Eingriff in die Rüstungsproduktion des Gegners. Geführt wurde jedoch ein ganze Flächen verwüstender totaler Luftkrieg. Dies oft sogar unbeabsichtigt, denn die Präzision der Bombenschützen war besonders in der Nacht gering. Die deutsche Luftwaffe zerstörte 1939/40 die Innenstadt von Warschau, Rotterdam und Coventry. Im Fall von Coventry oder des Londoner East End hatten sich die Flugzeugbesatzungen bei ihrer Navigation um viele Kilometer verschätzt. Getroffen werden sollten Rüstungsfabriken bzw. die Londoner Docks, zerstört wurden Wohngebiete. Die britische Royal Air Force antwortete ab 1940 mit Flächenangriffen auf deutsche Städte. In der britischen Öffentlichkeit war die Bereitschaft zu solchen Aktionen erst durch die Feuerstürme in London oder Coventry entstanden. Die Bombardierung von Hamburg war das erste von einer Reihe fürchterlichster Ereignisse. Die britischen Luftstreitkräfte flogen in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 mit mehr als 700 Bombern einen Angriff auf Wohnbezirke östlich der Innenstadt. „Im hier entstandenen sogenannten Feuersturm verloren etwa 30.000 Menschen ihr Leben. Die exakte Gesamtzahl der Toten der „Operation Gomorrha“ ist heute nicht mehr zu klären, sie liegt zwischen 35.000 und 40.000.“ (Vgl.: Uni Hamburg.)
Die amerikanische Luftwaffe setzte auf „präzise Tagesangriffe“. Wie beim ersten Angriff auf Schweinfurt gingen Bomben jedoch fehl oder in anderen Städten waren Industrieanlagen und Wohngebiete kaum zu trennen.
So ist Schweinfurt Sinnbild des Dilemmas: Die Kugellagerwerke galten als legitime militärische Ziele – und doch trafen die Bomben, besonders beim Nachtangriff der RAF im Februar 1944, die gesamte Stadt, ihre Wohnviertel, ihre Menschen. Hunderte Zivilisten starben, Tausende verloren ihre Häuser. Strategisch änderte sich wenig. Moralisch aber hinterließen diese Angriffe Wunden, die weit über die Trümmer hinausreichen.
Die Übergabe des Tagebuchs des Piloten bei der Veranstaltung am 15. Oktober ist insofern ein besonderes Zeichen der Versöhnung.
Ein rechtliches Vakuum wird geschlossen
In den Nürnberger Prozessen von 1945/46 wurde das Thema des Luftkriegs nicht verhandelt. Die Alliierten erklärten die Bombardierungen als „notwendige Kriegsmaßnahmen“. Niemand wurde wegen Luftangriffen auf Städte angeklagt – weder auf deutscher noch auf alliierter Seite.
Doch die Bilder der zerstörten Städte, wie Warschau, Rotterdam, Coventry, Hamburg, Dresden, Würzburg und besonders die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki stießen eine Debatte darüber an, dass der Luftkrieg, wie er im Zweiten Weltkrieg geführt worden war, eine Grenzüberschreitung von der Zivilisation zur Barbarei bedeutete.
Nach 1945 wurde die rechtliche Lücke geschlossen: Die Genfer Konvention von 1949 und ihre Zusatzprotokolle von 1977 schrieben fest, dass Angriffe, „deren hauptsächlicher Zweck die Verbreitung von Schrecken unter der Zivilbevölkerung ist“, verboten sind. Damit wurden Flächenbombardierungen von Städten de facto geächtet – eine späte Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg.
Kriegführung, sittliche Urteilskraft und moralische Verantwortung
Historiker wie Richard Overy und A.C. Grayling betonen, dass Bombardierungen von Städten wie Schweinfurt, Hamburg, Würzburg oder Dresden zeigen, wie brüchig die Grenze zwischen „legitimer Kriegsführung“ und „barbarischer Vernichtung“ wurde. Insofern dient die Erinnerung an den Luftkrieg als Mahnung. Technische Überlegenheit ohne moralische Begrenzung führt zu barbarischer Zerstörung. Der Schutz von Zivilisten im Krieg ist kein Zeichen von Schwäche, sondern der bei aller Feindschaft notwendig aufrechtzuerhaltende Rest von Humanität und Vernunft.
Die Verantwortung der deutschen Kriegsführung, der politischen Führung um Hitler, Goebbels, Speer oder Göring und der militärischen Führung in der deutschen Heeresleitung ist ähnlich zu beurteilen. Spätestens seit der Niederlage in Stalingrad und dem anglo-amerikanischen Vorrücken in Afrika im Winter 1943 wussten alle Verantwortlichen auf deutscher Seite, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Nur wenige Kommandierende zogen Konsequenzen und konnten sich zu einer Widerstandsaktion bereitfinden. Nach ihrem Bekunden aus Gewissensnot. Ihre Berufung auf den 1934 geleisteten Eid auf Hitler ist jedoch eine Ausflucht. Sie zeigt allerdings, wie wenige Menschen, zu nennen ist der Kreis um Oberst Stauffenberg, in einem modernen Großapparat wie dem Militär die Kraft zu eigenen Gewissensentscheidungen aufzubringen vermögen.
Unterhalb des berühmten Beispiels der Offiziere des 20. Juli gibt es allerdings zahlreiche Einzelaktionen von Soldaten oder Kommandeuren, die sich verbrecherischen Befehlen widersetzt oder zumindest entzogen haben. Auch bei der Übergabe von Ortschaften im April 1945, wie im Film zu sehen. Amerikanische und deutsche Sanitätsoffiziere versorgen in einer Szene einen deutschen Verwundeten. Die Lage weiter vorne wird anhand einer Karte besprochen.
Und die Moral von den verbrecherischen NS Organisationen wie der SS ist eine ganz eigene „Moral“. Diese Moral des SS-Soldaten bestand in einer vollständigen Verkehrung humaner Werte.
Sie ersetzte Verantwortung durch Gehorsam, Gewissen durch Befehl, Mitgefühl durch Härte. Philosophisch gesprochen war die SS-Moral eine radikale Verkehrung des kategorischen Imperativs (Immanuel Kant): Nicht „Handle so, dass die Maxime deines Handelns ein allgemeines Gesetz werden könnte“, sondern: „Handle so, dass du der Vernichtung des Feindes dienst, auch wenn du dafür deine Menschlichkeit aufgeben musst.“ Gerade darin liegt ihre Verwerflichkeit: Sie entzieht dem Menschen seine Menschlichkeit – und macht das Verbrechen zur Tugend. Die SS-Moral war kein Scheitern individueller Moral, sondern ein bewusst konstruiertes Gegenmodell zur Ethik der Aufklärung. In diesem Sinn war sie nicht bloß ein moralisches Versagen, sondern ein systematisches Programm der Entmoralisierung. Das Nazi-Regime atmet dieses Programm in allen seinen Facetten.
Die Entscheidung, den Krieg trotz der erkennbaren Niederlage fortzuführen, ist von der historischen Forschung mehrfach als verantwortungsloser Akt bezeichnet worden. Hans Mommsen spricht von einer „Selbstlähmung der Generalität“, die das verbrecherische Regime stützte. Andreas Hillgruber analysierte die Haltung der Wehrmachtführung als Mischung aus „Pflichterfüllung, Staatsloyalität und Realitätsverdrängung“. Joachim Fest nannte es treffend eine „perverse Fortsetzung des Gehorsams, die Vernunft und Menschlichkeit preisgab“.
Die fortgesetzte Führung eines Krieges, dessen Aussichtslosigkeit erkannt war, stellte einen Bruch mit jeder humanitären und vernunftgemäßen Verantwortung dar. Sie war Ausdruck eines Pflichtbegriffs, der sich von sittlicher Urteilskraft gelöst hatte – und damit eine moralische wie politische Fehlleistung von historischem Ausmaß.
Täter, Helfer, Trittbrettfahrer
Die wichtige Auseinandersetzung mit dem Thema der NS-Zeit in Schweinfurt beginnt derzeit erneut. Das Stadtarchiv Schweinfurt hat dazu ein Buch veröffentlicht: Täter, Helfer, Trittbrettfahrer, das wichtige Aufsätze zum Thema versammelt. Mehr dazu hier.
Informationen gesucht: Bitte um Kontaktaufnahme
Das Stadtarchiv Schweinfurt und ich selber suchen weitere Informationen zum Thema und darüber hinaus zur NS-Zeit und zur Geschichte der FAG Kugelfischer von den Anfängen bis 1940. Falls Sie Dokumente oder Informationen, insbesondere auch zu Hermann Barthel, kennen, kontaktieren Sie uns! Beim Stadtarchiv oder direkt hier. Bitte nehmen Sie zu mir hier Kontakt auf oder schreiben Sie an info |at| stephanbleek.de.
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